Bergmarathon zum Edersee am 03.05.2020

So, 03.05.2020 / Heiko Rammenstein (Marathon)

Sechs Uhr dreißig, mitten in Baunatal: Die Straßen der Stadt waren noch menschenleer, als Uwe Neudert zu einem singulären Bergmarathon mit Ziel Edersee startete. Der Lauf versprach, ein kleines Abenteuer zu werden, da ein Großteil der geplanten Strecke, mit Hilfe der App „All Trails“ aufgezeichnet, ihm vollkommen unbekannt war.

 

Begleitet wurde er von Heiko Rammenstein auf dem Fahrrad, der anfangs noch gut mithalten konnte, aber auf den zahlreichen trailigen Bergpassagen an seine Grenzen stieß. Grober Schotter im Wald machte das Befahren nicht einfach. Aber dafür konnte er sich beim Bergabrollen etwas erholen, bevor der nächste quälende Anstieg sich vor ihm erhob.

 

Uwe war für den Bilstein Ultra angemeldet, der am 2. Mai stattgefunden hätte, wegen der Kontaktbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie jedoch vorerst auf den 11. April 2021 verschoben wurde. Aufgrund der schlechten Wetterprognose für den Samstag, der tatsächlich einige heftige Regenschauer und Wind hervorbrachte, setzte Uwe den Ersatzmarathon auf den Sonntag an und erwischte denkbar gute Wetterbedingungen: Bei kühlen Temperaturen um 8 Grad, bewölktem, aber niederschlagsfreiem Himmel sowie mäßigem Wind ließ sich trefflich laufen.

 

Der einfachste, wenn auch nicht unbedingt kürzeste Weg zum Edersee hätte entlang der Eder auf flachem Terrain flussaufwärts geführt. Da Uwe aber einen adäquaten Ersatz für den Bilstein-Marathon suchte, enthielt seine ausgearbeitete Strecke jede Menge Höhenmeter.

 

Ausgestattet mit seiner Trinkweste, ging es also munter los. Der erste Weg führte in den Leiselpark, wo er sich mit einem Lauffreund namens Sebastian Wagner traf. Gemeinsam liefen sie auf kürzestem Weg nach Niedenstein und bewältigten den Aufstieg zum Hessenturm, was ihnen ab Baunatal bereits einen positiven Höhenunterschied von etwa 230 Metern einbrachte, während Heiko die Serpentinen der Landstraße erklomm und am Fuß des Berges auf die beiden wartete. Als sie nach dem Abstieg vom Hessenturm-Plateau dort eintrafen, verabschiedete sich Sebastian, der seinen Weg Richtung Langenberg fortsetzte und nur etwa 20 Kilometer laufen wollte.

 

Uwe und Heiko hingegen stürzten sich hinab nach Niedenstein, verließen das Dorf in westlicher Richtung und durchquerten den Wald zwischen der Ruine Altenburg und dem Emserberg, um nach Bad Emstal Sand zu gelangen.

 

Kaum ein Drittel der Strecke lag hinter ihnen, aber schon jetzt betrat Uwe und bald auch Heiko ein ihnen gänzlich unbekanntes Terrain, nutzten Wege, die sie niemals zuvor gesehen hatten. Dank seiner App konnte Uwe sich dennoch gut zurechtfinden: Die eigene Position war mit einem blauen Punkt gekennzeichnet. Lag der blaue Punkt auf der roten Streckenlinie, befand er sich auf der richtigen Spur. Entfernten sich Punkt und Linie voneinander, bedurfte es einer Korrektur, die sich schnell finden ließ. Kleine Umwege schadeten ja nicht.

 

Von Bad Emstal ging es weiter durch einen Wald mit zunächst ansteigendem Profil. Schon bald befanden sich Uwe und Heiko in der Naumburger Gemarkung, durchstreiften den Ortsteil Elbenberg und hatten beim Überqueren der Landstraße zwischen Naumburg und Altendorf in etwa die Streckenhälfte erreicht. Von Müdigkeit keine Spur, verfolgte Uwe unbeirrt und mit sicheren, gleichmäßigem Schritten den vorgezeichneten Weg.

 

Der führte stetig nach Westen, durch weitere ausgedehnte Wälder, und enthielt eine Reihe von schmalen Trails, wie Uwe als erfahrener Bilsteinläufer sie schätzt. Hier und dort lagen umgestürzte Bäume, die es zu überwinden galt, und manchmal wurde gezielt vom vorgegebenen Weg abgewichen, um später wieder auf den richtigen Pfad zurückzukehren. An einer Stelle gerieten Uwe und Heiko, mittlerweile auf dem Gebiet der Gemeinde Edertal angelangt, auf einen steilen, ungemähten Grasweg, der zumindest Uwe nicht vor eine allzu große Herausforderung stellte. Heiko als Radfahrer schon. Hier wie andernorts war Schieben angesagt. Oben angelangt, bot sich den beiden kurz darauf der Blick auf das Schloss Waldeck, das sich westwärts auf einer Anhöhe erhob – ein Zwischenziel, 5 Kilometer Fußweg und etliche Höhenmeter von ihrem derzeitigen Standpunkt entfernt.

 

Mehr als zwei Drittel der Gesamtstrecke lagen inzwischen schon hinter ihnen, aber noch immer konnte Uwe seine Leichtfüßigkeit beibehalten. Der Weg hinunter Richtung Waldeck brachte Erholung, bevor es in einem Daueranstieg erst sanft, bald steil bergauf bis zum Schloss ging. Noch immer verriet Uwes konstante Schrittfrequenz, dass ihm auch dieser Berg keine Müdigkeit bereitete.

 

Das Schloss mit dem Aussichtspunkt lag verlassen, keine anderen Besucher störten die fast andächtige Stille mit der traumhaften Sicht auf den im Tal liegenden Edersee, an dessen südlichen Ende das Ziel des Marathons grüßte: Die Sperrmauer! Für einen kurzen Moment konnten sich Uwe und Heiko als Schlossherren fühlen.

 

Aber noch lagen ein paar Kilometer vor ihnen, die sie zunächst zu einer der beiden Aussichtskanzeln oberhalb des Sees führten, 100 Höhenmeter über der Sperrmauer gelegen. So führte das letzte Stück ihrer Reise mehr oder weniger halsbrecherisch steil bergab, bis sie die Ederseerandstraße erreicht hatten. Von dort war es nur noch ein kurzes Stück bis zur Sperrmauer, die sie nach exakt 4 Stunden reiner Laufzeit, 43 Kilometern und ca. 1.000 Metern Höhenunterschied erreichten.

 

Die Anstrengung war Uwe nicht anzumerken. Daher fiel es ihm auch nicht schwer, nach Überquerung der Sperrmauer einen weiteren Kilometer nach Hemfurth zurückzulegen, wo Frau und Kinder auf ihn warteten.

 

Insgesamt war es für beide ein tolles Erlebnis, bei dem zahlreiche neue Wege erkundet wurden. Die Erweiterung des eigenen Horizonts war zwar mit einer gehörigen Portion Anstrengung verbunden, insbesondere für den Radfahrer, brachte aber auch ganz viel Spaß. Für Heiko war die Radtour noch nicht beendet, der Rückweg führte dieses Mal aber ganz entspannt flussabwärts entlang der Eder.

 

Ergebnis Uwe Neudert:

 

43,04 km, 4:00:55 Std., Pace 5:36 min./km, 992 m Höhenunterschied

 



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