das mysterium der myokine
MYOKINE – DIE HEILSAMEN BOTENSTOFFE
Wir dachten, unsere Muskeln bis ins Kleinste erforscht zu haben, und doch kamen in den letzten Jahren Experten zu dem Schluss: Unsere Muskulatur ist ein unterschätztes Organ. Werden unsere Muskeln bewegt, produzieren sie heilsame Botenstoffe, die im gesamten Organismus positiv wirken: die Myokine.
Sport hat viele gute Eigenschaften. Er senkt das Risiko für Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Osteoporose sowie für Darm- und Brustkrebs. Und: Er verlängert das Leben! Mindestens drei bis vier Jahre lebt man länger, wenn man regelmäßig Sport betreibt. Durch körperliches Training trägt man einerseits zum Muskelaufbau bei: Es wachsen neue Muskelfasern, der Muskelquerschnitt wird größer. Gleichzeitig baut der Körper Fett ab, der Kreislauf wird angeregt, und die Knochen werden gekräftigt. Auch das Immunsystem wird widerstandsfähiger. Selbst Schlafprobleme können sich durch regelmäßiges körperliches Training verbessern, da sich die Sauerstoffaufnahme im Schlafzentrum des Gehirns erhöht. Der restliche Körper bekommt ebenfalls mehr Sauerstoff, Glückshormone durchfluten ihn.
HEILKRAFT AUS DEN MUSKELN
Diese beeindruckenden gesundheitsfördernden Effekte sportlicher Betätigung sind nicht zuletzt auch auf das wohl meistunterschätzte Organ unseres Körpers zurückzuführen: unsere Muskulatur. So sind Muskeln weitaus mehr als bloße Zugmaschinen und Stützen unseres Körpers. Experten bezeichnen sogar die Muskulatur als eines der komplexesten und unterschätztesten Organe. Bewegen wir unsere Muskeln, produzieren sie heilsame Botenstoffe, sogenannte Myokine. Diese hormonähnlichen Substanzen wirken nicht nur lokal in den Muskeln, sondern können über das Blut selbst entfernte Körperorgane beeinflussen. So tragen sie beispielsweise zur Fettverbrennung bei, verbessern die Durchblutung und Dehnbarkeit unserer Gefäße und entlasten unsere Leber. Außerdem können sie vor Erkrankungen wie Diabetes Typ 2, Osteoporose und sogar vor Demenz schützen. Noch sind die Wissenschaftler dabei, die genaue Wirkweise der Botenstoffe zu entschlüsseln. Doch schon jetzt ist klar: Muskeln sind regelrechte Hausapotheken, deren positive Effekte wir nutzen sollten.
MUSKELN BRAUCHEN BEWEGUNG
Die größtmögliche Myokin-Ausschüttung erreicht man, indem man sich nicht nur sanft bewegt, sondern ordentlich ins Schwitzen kommt – beim Ausdauertraining, insbesondere aber beim Krafttraining. Letzteres sorgt darüber hinaus für eine Erneuerung der Telomere*, der kleinen Schutzkappen am Ende unserer Erbgutfäden. Normalerweise werden sie bei jeder Zellteilung kürzer, bis sie schließlich ganz aufgebraucht sind und die entsprechenden Zellen absterben. Trainiert man jedoch regelmäßig, werden spezielle Eiweiße gebildet, die unsere Telomere stabilisieren. Derartige Substanzen konnte man bereits in Herzmuskel- und Gefäßwandzellen nachweisen. Doch auch, wenn man körperlich nicht ganz so fit ist, kann man genügend Myokine produzieren, zum Beispiel bei einem zügigen Spaziergang. In diesem Fall sollte man allerdings häufiger pro Woche und länger am Stück unterwegs sein.
MYOKINE UNTER DER LUPE
Derzeit geht man von etwa 600 unterschiedlichen Myokinen (aus dem Griechischen mys: Muskel und kinema: Bewegung) aus, die lokal im Muskel, aber auch im gesamten Körper wirken. Richtig erforscht sind bisher jedoch gerade mal ein paar Dutzend. Aber schon heute weiß man: Die Myokine werden insbesondere bei Bewegung und Kontraktion unserer Muskeln ausgeschüttet, und durch sportliche Betätigung vervielfacht sich ihre Produktion sogar um das etwa 20-Fache! Noch ist unklar, ob durch unterschiedliche Sportarten auch verschiedene Myokine freigesetzt werden. Denkbar ist jedoch, dass beim Ausdauersport andere Botenstoffe produziert werden als beim Kraft- oder Koordinationstraining. Einige Studien weisen bereits in diese Richtung. Nach der Ausschüttung verteilen sich die Myokine über die Blutbahn im gesamten Körper. Hier docken sie an Rezeptoren an, die auf den Zelloberflächen der verschiedenen Organe sitzen, und geben Signale ab, die eine biologische Reaktion zur Folge haben.
Die wichtigsten der bisher bekannten Myokine im Überblick:
- Interleukin-6 (IL-6) IL-6 ist das erste Myokin, das von Wissenschaftlern identifiziert wurde. Es steigert die Fettverbrennung, stärkt das Immunsystem und wirkt Entzündungen sowie Infekten und Tumorerkrankungen entgegen. Positiv ist außerdem, dass es – wie Insulin – die Aufnahme von Zucker in die Körperzellen steigert. Damit kann es Diabetes vorbeugen und im Frühstadium sogar heilen. Wer sein Diabetesrisiko senken will, sollte also am besten seine Muskulatur trainieren. Eine Überblicksstudie von der Universität von Süddänemark in Odense, in der Forscher die Daten von 32.000 Männern aus den Jahren von 1990 bis 2008 auswerteten, konnte zeigen, dass bereits eine einzige Trainingsstunde pro Woche mit Kniebeugen, Bankdrücken und ähnlichen Übungen reichte, um das Diabetesrisiko der Probanden um 34 Prozent zu senken. Bei zweieinhalb Stunden pro Woche reduzierte es sich sogar um mehr als die Hälfte. Nach neusten Erkenntnissen soll IL-6 sogar in der Lage sein, die Genetik so zu verändern, dass dauerhaft ein erhöhter Energiebedarf im Körper besteht, was das Abnehmen sehr erleichtert. Und: Interleukin-6 kurbelt den Knochenstoffwechsel ordentlich an – ein großes Plus zur Vorbeugung und begleitenden Therapie einer Osteoporose (siehe Artikel ab Seite 22). Bei Bewegung kann sich IL-6 im Muskelgewebe um das bis zu 100Fache erhöhen!
Muskeln sind weitaus mehr als bloße Zugmaschinen und Stützen unseres Körpers. Bewegen wir sie, produzieren sie heilsame Botenstoffe,
sogenannte Myokine.
- Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) Das Myokin VEGF sorgt vor allem für die Neubildung und Verzweigung von Blutgefäßen, sodass der Körper insgesamt besser durchblutet wird. Dies kommt letztlich allen Organen zugute, etwa dem Herzen, dem Gehirn oder den Nieren. Zusätzlich entspannt VEGF die Blutgefäße und senkt damit den Blutdruck. Außerdem hilft das Myokin beim Abnehmen.
- Interleukin-15 (IL-15) IL-15 ist ein Myokin, das direkt in den Muskeln wirkt. Es werden mehr Eiweißstoffe eingelagert, wodurch das Wachstum der Muskulatur gefördert wird. Außerdem hat es einen verjüngenden Effekt auf unser Hautbild. So konnten Wissenschaftler der McMaster Universität in Ontario anhand von Hautproben zeigen, dass sich bei über 65-jährigen Probanden, die ein dreimonatiges Übungsprogramm – zweimal pro Woche moderates Joggen oder Radfahren – absolvierten, das Hautbild deutlich veränderte. Während die äußerste Hornschicht nach Studienende dünner geworden war, hatte sich ihre Lederhaut, die aus Bindegewebsfasern besteht, verdickt – ein untrügliches Kennzeichen jugendlicher Haut. Und: Interleukin-15 war in den Hautproben nach dem Training um ganze 50 Prozent erhöht.
- Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF) BDNF ist ein Myokin, welches das Wachstum neuer Nervenzellen fördert, aber auch Neuronen und Synapsen vor dem Verfall schützt und das Erinnerungs- und Lernvermögen verbessert. Insbesondere für die Prävention von Demenz scheint BDNF eine entscheidende Rolle zu spielen. So ließen Wissenschaftler der Universität Pittsburgh 60 Testpersonen ein ganzes Jahr lang ein Sportprogramm absolvieren, bei dem sie dreimal pro Woche zügig gehen und ordentlich schwitzen mussten. Eine Vergleichsgruppe führte lediglich leichte Dehnübungen durch. Sowohl vor Studienbeginn als auch nach Studienende wurde der Hippocampus aller Teilnehmer im MRT vermessen – jener Teil des Hirns, der eine zentrale Stellung für unsere Gedächtnisleistung hat, im Alter jedoch leider häufig schrumpft. Im Ergebnis zeigte sich: Während der Hippocampus der Dehnungsgruppe um 1,2 Prozent geschrumpft war, hatte sich das gleiche Hirnareal bei den aktiven Walkern um ganze zwei Prozent vergrößert!
Die größtmögliche Myokin-Ausschüttung erreicht man, indem man ordentlich ins Schwitzen kommt – beim Ausdauertraining,
ins besondere aber beim Krafttraining.
- Secreted Protein Acidic and Rich in Cysteine (SPARC) Ob es auch bestimmte Myokine gibt, die präventiv gegen Krebs wirken, ist derzeit noch Gegenstand der Forschung. Wissenschaftler der Kyoto Prefectural University fanden jedoch Hinweise darauf, dass das Myokin SPARC möglicherweise die Entwicklung von Darmkrebs unterdrücken kann. Auch Interleukin-6 scheint das Tumorwachstum insgesamt zu verlangsamen bzw. zu unterdrücken.
BEWEGUNG IN DEN ALLTAG INTEGRIEREN
Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der aktive körperliche Bewegung zur Ausnahme geworden ist. Viele Menschen kommen stattdessen auf eine tägliche Sitz-Zeit von elf Stunden und mehr. Dies führt nicht nur zu einer Verkürzung von Rücken-, Bein- und Gesäßmuskulatur, auch unsere körpereigenen Hausapotheken bleiben dadurch verschlossen. Höchste Zeit also, wieder mehr Aktivität in unser Leben zu bringen! Am besten ist es, die Bewegung ganz selbstverständlich in den Alltag einzubauen und etwa Treppen statt Lifte zu benutzen, Ein käufe zu Fuß zu erledigen oder beim Nachhauseweg eine Station früher auszusteigen. Ist man komplett ungeübt, kann man jeden Tag mit 3.000 bis 5.000 Schritten beginnen – das gilt als mäßige Bewegungsaktivität. Dabei summieren sich auch kurze Gehstrecken. Um den Ehrgeiz anzuspornen, gibt es spezielle Schrittzähler, teilweise bereits sehr kostengünstig. Wie sinnvoll die kleinen Messinstrumente sind, zeigte sich in einer Studie: Probanden, die einen Schrittzähler trugen, unternahmen häufiger Erledigungen zu Fuß oder drehten abends noch eine Runde, wenn sie tagsüber zu wenig Schritte gegangen waren. Erreicht man die angestrebten 10.000 Schritte pro Tag, ist das schon eine tolle Leistung!
SPASS AN DER KÖRPERLICHEN AKTIVITÄT
Zusätzlich zur Alltagsbewegung ist es sinnvoll, eine Sportart zu finden, die einem Spaß macht. Feste Verabredungen mit Gleichgesinnten können dabei helfen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Nordic Walking etwa überfordert niemanden, schont die Gelenke, kurbelt Kreislauf und Stoffwechsel an und stärkt die Rumpf- und Nackenmuskulatur. Auch Schwimmen ist ein ausgezeichneter Ausdauersport. Beispielsweise kann man sich angewöhnen, die Bahnen zu zählen, und versuchen, sich von Mal zu Mal zu steigern. Fahrradfahren fördert den Kreislauf, regt den Stoffwechsel an und lässt sich auch prima in einer Gruppe ausüben. Der Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club ( www.adfc.de) etwa bietet viele Möglichkeiten für Einsteiger an – bis hin zu Touren, für die man unter dem Stichwort „Bett & Bike“ radfreundliche Unterkünfte findet. Elektroräder sind eine gute Option für Ungeübte, denn sie schützen davor, dass man sich auf dem Hinweg verausgabt und auf dem Rückweg Probleme hat, heimzukommen.
Tanzen ist eine wunderbare Möglichkeit, etwas mit seinem Partner gemeinsam zu unternehmen. Viele haben auch Freude an Zumba – das ist Aerobic zu lateinamerikanischen Klängen. Es wird von vielen Sportvereinen, Volkshochschulen, Fitnesscentern etc. angeboten und setzt eine gewisse Grundkondition voraus. Pilates zählt ebenfalls zu den sehr beliebten sanften Trainingsmethoden der letzten Jahre. Auch Qigong, Tai-Chi und Yoga sind ideale tägliche Bewegungsübungen und gerade auch für gestresste Personen ideal. Die Kosten werden teilweise von den Krankenkassen übernommen, sofern die Kurse von qualifizierten Kursleitern durchgeführt werden. Schauen Sie in unser Kursprogramm. Bestimmt ist etwas für Sie dabei.
WIE OFT SOLLTE MAN TRAINIEREN?
Grundlage Ihres Trainingspensums ist die tägliche Bewegung im Alltag. Daneben sollten Sie etwa dreimal pro Woche eine halbe oder Dreiviertelstunde für Ihr Bewegungsprogramm einplanen. Dabei ist es ratsam, die Muskeln nicht nur auf Ausdauer zu trainieren, sondern auch auf Kraft, Koordination und Beweglichkeit. Damit Sie sich anfänglich nicht übernehmen, ist es sinnvoll, mit kürzeren Sporteinheiten und einer geringen Intensität zu beginnen. Wenn Sie noch genug Luft haben, um sich während der Bewegung zu unterhalten, und nur leicht schwitzen, sind Sie automatisch im richtigen Belastungsbereich. Das ist gleichzeitig jener Bereich, in dem Ihr Körper die Fettreserven angeht und verbraucht. In den ersten Minuten wird Traubenzucker aus den Kohlenhydratspeichern geholt, anschließend geht es zügig an die Fettdepots. Dies ist bereits nach etwa 15 Minuten Training der Fall. Beginnen Sie am besten mit zehn Minuten täglich und steigern Sie sich langsam, bis Sie an drei bis vier Tagen pro Woche 30 Minuten aktiv sein können – noch besser wären fünf bis sechs Tage. Sie können Ihr Sportpensum auch auf 45 Minuten steigern. Die positive Wirkung hält bis zu 72 Stunden nach dem Training an. Spätestens danach sollte man erneut aktiv werden. Wer sich unsicher ist, wie genau er trainieren soll, kann eine medizinische Trainingstherapie absolvieren. Hier werden Kraft,
Ausdauer und Beweglichkeit unter Aufsicht eines Physiotherapeuten oder Sportmediziners trainiert und die Übungen speziell auf die individuellen Möglichkeiten und Bedürfnisse abgestimmt. Unsere Trainer in der Sportwelt in Baunatal beraten Sie gern. Rufen Sie uns an oder schicken Sie eine E-Mail an info@ksv-baunatal.de.
Wir leben heute in einer „Sitzgesellschaft“. Höchste Zeit also, wieder mehr Aktivität in unser Leben zu bringen, um unsere
körpereigenen Hausapotheken zu öffnen.
INTERVALLTRAINING – GROSSER EFFEKT IN KÜRZESTER ZEIT
Unter Hochleistungssportlern ist die Methode schon lange bekannt: das sogenannte High Intensity Interval Training (HIIT). Doch auch für Hobbysportler ist Intervalltraining eine gute Möglichkeit, die Muskeln in weitaus kürzerer Zeit zu aktivieren und höhere Trainingseffekte zu erzielen als bei einem klassischen Ausdauertraining. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine gute Grundkondition. Beim Intervalltraining wechseln sich Intervalle hoher Belastung mit nachfolgenden Erholungsphasen ab, in denen sich der Organismus allerdings nicht vollständig erholen kann.
In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl an Studien zum HIIT durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass durch ein Intervalltraining von insgesamt 10 bis 15 Minuten Dauer – mehrmalige 30-Sekunden-Sprints, unterbrochen von leichten Joggingphasen (etwa zwei bis vier Minuten) – ähnliche Effekte erzielt werden konnten wie durch ein 90-minütiges Ausdauertraining mit deutlich geringerer Intensität. Darüber hinaus eignet sich Intervalltraining besonders gut dazu, den Stoffwechsel anzukurbeln und den Fettabbau zu fördern.
Um die positiven Effekte körperlicher Bewegung zu nutzen und bestmöglich von unseren heilsamen Muskelbotenstoffen zu profitieren, ist kein großer zeitlicher oder finanzieller Aufwand nötig. Wichtig ist es, wieder mehr Aktivität in den Alltag zu integrieren und eine Sportart zu wählen, die wirklich Spaß macht. Jeder noch so kleine zusätzliche Schritt ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir beraten Sie gern in der KSV Sportwelt in Baunatal, ihrem Gesundmacher.
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Mit freundlicher Unterstützung der Zeitschrift NATUR & HEILEN.